MEDIENPÄDAGOGIK IN DER SCHULE

‑ Erklärung der Kultusministerkonferenz vom 12.05.1995 ‑

1.

Medien nehmen heute eine zentrale Stellung in der privaten und beruflichen Lebenswelt sowie in der öffentlichen Meinungsbildung ein und beeinflussen, prägen und strukturieren nachhaltig die Erfahrungen eines jeden einzelnen ‑ vor allem aber der Kinder und Jugend­lichen.

Heranwachsende nutzen die Medien als Unterhaltungs‑ und Spiel‑, aber auch als Lern­angebote sowie als allgemeinen Erfahrungsraum wesentlich häufiger und intensiver als Erwachsene.

Die von Medien vermittelten Informationen, Erfahrungen und Handlungsmuster beeinflussen ‑ den Kindern und Jugendlichen häufig unbewußt ‑ ihre Motivationen, Erwartungen und Interessen, die Wahl ihrer Vorbilder, die Entwicklung ihrer moralischen und ästhetischen Kategorien sowie ihrer intellektuellen Fähigkeiten. Sie wirken auf die Art ihrer persönlichen Konflikt‑ und Lebensbewältigung ein.

Medienverhalten wird bereits im Kleinkindalter ‑ gerade auch durch das Beispiel der Eltern ‑erlernt, strukturiert und verfestigt. Deshalb ist die rechtzeitige Einflußnahme auf den Umgang mit den Medien von besonderer Bedeutung.

Dies ist in erster Linie eine Aufgabe des Elternhauses; zugleich muß es aber auch als ein schulisches Bildungs‑ und Erziehungsziel von hoher Priorität betrachtet werden, die Medien­wahrnehmung und den Medienumgang verantwortlich, kritisch aber auch kreativ werden zu lassen und weiterzuentwickeln. Medienpädagogik in der Schule hat bereits deutlich ausge­prägte Wahrnehmungsgewohnheiten aufzuarbeiten.

2.

In Fortführung der einschlägigen Erklärungen und Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und unter Bezug auf den von der Bund‑Länder‑Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Dezember 1994 verabschiedeten "Orientierungsrahmen Medien­erziehung in der Schule" stellen die Kultusminister und ‑senatoren übereinstimmend fest, daß Medienpädagogik die Schülerinnen und Schüler zu einem sachgerechten, selbstbestimm­ten und sozial verantwortlichen Umgang mit den Medien befähigen muß. Daher ist es erforderlich, daß die Schülerinnen und Schüler

-             sich in der Medienwelt zurechtfinden können, d. h. daß sie die Angebotsvielfalt der Medien kennen, ihre vielfältigen (inhaltlichen und technischen) Verflechtungen wahrnehmen, Zugangsmöglichkeiten erfahren, die Handhabung einüben und Auswahl und Nutzung sinnvoll gestalten lernen,

-             die durch Medien vermittelten Informationen Erfahrungen und Handlungsmuster kritisch einordnen können, d. h. daß sie sie auf ihren Realitätsgehalt überprüfen, sie in Beziehung setzen zur gesellschaftlichen Funktion der Medien und zu den ökonomischen  Bedingungen ihrer Produktion und Verbreitung,

-            sich innerhalb einer von Medien bestimmten Welt selbstbewußt, eigenverantwortlich und produktiv verhalten können, d. h. daß sie ästhetische und moralische Wertmaßstäbe entwickeln, neben analytischen auch kreative Fähigkeiten aufbauen, über praktische Medienarbeit lernen, eigenen Vorstellungen und Interessen Ausdruck zu verleihen und diese auch öffentlich zu machen.

Medienpädagogik in der Schule hilft so den Heranwachsenden, im Umgang mit Medien begründete Orientierungen für das eigene Urteilen und Handeln zu entwickeln sowie sich als aktiv Gestaltende zu erfahren.

3.

Alle Länder in der Bundesrepublik Deutschland haben vielfältige inhaltliche Aussagen und unterrichtspraktische Hinweise zur Medienpädagogik entwickelt und in Richtlinien und Lehrpläne aufgenommen. Hinzu kommen medienpädagogisch akzentuierte Vorgaben bei der Einführung der informations‑ und kommunikationstechnischen Bildung.

Auf dieser Grundlage unterstreichen die Kultusminister und ‑Senatoren die Notwendigkeit einer deutlich verstärkten Medienpädagogik mit folgenden Feststellungen:

  • Medienpädagogik in der Schule muß von einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber der Medienwelt ausgehen und mit angemessenen Unterrichtsmethoden bzw. Arbeitsformen auf die vielfältigen und z. T. disparaten Erfahrungen und Handlungsmuster der Heranwachsenden im Umgang mit Medien reagieren. Dies setzt die Bereitschaft der Lehrkräfte voraus, sich mit den Medienerfahrungen der Heranwachsenden auseinanderzusetzen.

  • Richtlinien und Lehrpläne müssen medienpädagogische Aufgabenfelder stärker entfalten und differenzieren: Fächerbezüge und die altersbedingte Zuordnung spezifischer Problemstellungen, aber auch deren inhaltliche Verbindungen untereinander sind aufzuzeigen und verpflichtende Vorgaben für die unterrichtliche Behandlung zu machen. Die technische Integration sowie die Komplexität der Medien und deren Nutzung muß auch eine lehrplanbezogene Integration nach sich ziehen.

  • In den Schulen müssen die organisatorischen und inhaltlichen Voraussetzungen für eine fachbezogene und fächerübergreifende kontinuierliche medienpädagogische Arbeit verbessert werden. Hierzu gehört u. a. eine flexible Unterrichtsorganisation, die auch projektorientiertes Arbeiten ermöglicht. Für die Medienpädagogik ist eine angemessene Ausstattung im technischen Bereich unverzichtbar. Auch den Schulbibliotheken kommt für die Leseerziehung und die Leseförderung weiterhin ein hoher Stellenwert zu.

  • Für die Medienpädagogik in der Schule sind geeignete Unterrichtsmedien, Unter­richtsmaterialien und Unterrichtsmodelle zu entwickeln, zu nutzen und unter wissen­schaftlicher Begleitung in der Praxis systematisch zu evaluieren. Aktuelle Materialien des Instituts für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU), der Landes­bildstellen und anderer Landeseinrichtungen sowie der Schulfunk‑ und Schulfernseh­redaktionen der öffentlich‑rechtlichen Rundfunkanstalten sollen genutzt werden.

  • Vorhandene Infrastrukturen, insbesondere die Bildstellen/Medienzentren auf Landesebene und in den Kommunen, das FWU, pädagogische Landesinstitute mit Medien­bereichen, aber auch die Rundfunkanstalten ‑ vor allem die öffentlich‑rechtlichen ‑ sowie "Offene Kanäle", öffentliche und private Weiterbildungseinrichtungen und die zahlreichen Einrichtungen der vor‑ und außerschulischen Kinder‑ und Jugendarbeit sind verstärkt für die medienpädagogische Arbeit zu nutzen.

  •  Medienpädagogik in der Schule sollte ‑ in fachspezifischer Ausprägung und fächerüber­greifend ‑ in beide Phasen der Lehrerausbildung als verpflichtender Bestandteil aufgenommen werden.

  •  Angesichts der raschen Entwicklung in der Medienwelt kommt der Lehrerfortbildung eine besondere Bedeutung zu. Neben fachlichen Kenntnissen sollen vor allem die Fähigkeit zur Beobachtung von Mediengewohnheiten und Denk‑ und Wahrnehmungs­formen der Schülerinnen und Schüler entwickelt werden. Hinzu kommen praktisch gestalterische Kompetenzen und eine entsprechende Methodenkenntnis.

4.

Die Kultusminister und ‑senatoren sind übereinstimmend der Auffassung, daß Medienpäd­agogik in der Schule nur erfolgreich sein kann, wenn die Medienanbieter ihrer großen und zunehmenden Verantwortung ‑ besonders auch im komplexen Zusammenspiel von ökonomi­scher Zielsetzung, Informationsfreiheit und Programm‑ und Angebotsvielfalt mit den Aufgaben und Prinzipien des Jugendmedienschutzes ‑ gerecht werden.

Spezielle Medienangebote für Kinder und Jugendliche, aber auch Programme, die nach aller Erfahrung von Kindern und Jugendlichen häufig angenommen werden, bedürfen einer besonderen Sorgfalt im Hinblick auf Inhalt und Gestaltung. Die Medienanbieter müssen sich konsequent an die gesetzlichen Bestimmungen für den Jugendschutz halten.

Die Kultusminister und ‑senatoren sind der Auffassung, daß vor allem die öffentlich‑recht­lichen Medienanbieter als Partner von Elternhaus und Schule vielfältige Beiträge dafür leisten sollen, daß die Kinder und Jugendlichen den verantwortungsbewußten Umgang mit den Medien erlernen und praktizieren können.